... newer stories
Samstag, 28. August 2004
Der Kino-Raum
philo, 17:44h
In seinem Vortrag "Andere Räume" beschreibt Foucault den Kinosaal als "merkwürdigen, viereckigen Saal, in dessen Hintergrund man auf einem zweidimensionalen Schirm einen dreidimensionalen Raum sich projizieren sieht"; er zählt diesen 'merkwürdigen Raum' zu den Heterotopien, jener eigentümlichen Klasse von Orten, die im sozialen Ordnungsgefüge, das auch und vor allem ein Gefüge von Räumen ist - Foucault spricht von "Plazierungen" -, eine präzise Funktion wahrnehmen, diese Funktion aber zugleich transzendieren und damit unerwartete Effekte produzieren. Inwiefern der Kinosaal ein solcher Ort ist, wird bei Foucault nur angedacht. Die Heterotopologie, die Analyse der Heterotopien, wird von ihm nur mit groben Pinselstrichen skizziert. Ausgeführt hat er dieses Programm selbst nicht.
In jüngster Zeit ist der Kinosaal als spezifischer Raum in den Fokus kulturwissenschaftlicher Forschung geraten (so daß man hoffen darf, daß dadurch vielleicht ein Beitrag zur Heterotopologie des Kinos geleistet wird):
(a) Im Rahmen des an der FU Berlin beheimateten Sonderforschungsbereichs Kulturen des Perfomativen wird am Lehrstuhl von Gertrud Koch das Projekt B 11 Der Akt der Aufführung im kinematografischen Raum durchgeführt.
Zusammenfassung des Projekts:
Film ist nicht abzulösen von den Praktiken seiner Aufführungen. Von seinen technischen, medialen Voraussetzungen her bedarf er der doppelten Apparatur; der zur Aufnahme und der zur Wiedergabe. Insbesondere die Qualität des Films als Bewegungsbild tritt wahrnehmbar erst in der Projektion, in seiner Aufführung in Erscheinung. Von dieser Aufführung wird die Rezeption mit bestimmt. Die Aufführung des Films hat zwei Orte: die Wand, auf die er projiziert wird, und den Zuschauer, in dem sich die Projektion zur Wahrnehmung von Bewegungsbildern formiert. [...] Dieser Aspekt der filmischen Aufführung im Auge des Betrachters gibt zwei zentrale Untersuchungsfelder vor: die Orte der Vorführung und den Zuschauer als Ort.
Aus einer solchen Topographie erschließt sich:
- das erste Untersuchungsfeld: Aufführungsorte:
das Kino und seine Architektur, sowie deren funktionale Anpassung an die historisch variablen apparativen Technologien (Breitwandformate erfordern eine bestimmte Anordnung des Zuschauers gegenüber der Leinwand, Stummfilme erforderten einen großen Orchestergraben etc.); das Kino als Teil der Straße, der Stadt, der Einkaufszentren etc.
- das zweite Untersuchungsfeld: der Körper des Zuschauers:
das Publikum in seiner Abhängigkeit von den Aufführungsbedingungen am Ort und als Teil der Aufführung. Hierbei sind vor allem die somatischen Wahrnehmungstheorien einzubeziehen.
Untersucht werden soll der Zusammenhang zwischen den Untersuchungsfeldern auf dem Hintergrund der These wechselseitiger Konstituierung von externen und mentalen Räumen in der kinematografischen Aufführung.
Dadurch soll die Frage geklärt werden, "wie sich architektonische und filmische Räume beeinflussen und wie sich die angenommene Raumdiffusion in andere symbolische Raumordnungen überträgt wie die von privat/öffentlich. Dazu bedarf es der Präzisierung von Übergängen. Diese liegen in der kinästhetischen Dimension, die Architektur und Film gemeinsam haben." (Mehr dazu hier.)
Gerade im Hinblick auf die Kinoarchitektur bin ich schon sehr gespannt auf die Ergebnisse.
(b) Unabhängig von diesem Forschungsprojekt ist das Verhältnis von Kinoraum und Außenwelt in jüngster Zeit Gegenstand von Aufsätzen gewesen:
Morsch, Thomas: "Die Macht der Bilder: Spektakularität und die Somatisierung des Blicks im Actionkino", in: Film und Kritik 4 (1999), 21-43.
Schober, Anna: "Close-ups in der Kinostadt", in: Mörtenböck, Peter/Mooshammer, Helge (Hrsg.): Visuelle Kultur: Körper - Räume - Medien, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2003, 231-253. [Meine Rezension dieses Bandes gibt's hier.]
(c) Wenn ich so unbescheiden sein darf: In der nächsten Ausgabe des film- und kulturwissenschaftlichen Online-Journals F.lm - Texte zum Film (Oktober 2004) erscheint mein Aufsatz "Opiumhöhle und ästhetisches Asyl. Zur Heterotopologie des Kinos im Anschluß an Foucault und Adorno", in dem ich mich darum bemühe, Foucaults Einschätzung, das Kino sei eine Heterotopie, durch Adornos Analyse des Kinos sozialphilosophisch plastisch zu machen.
In jüngster Zeit ist der Kinosaal als spezifischer Raum in den Fokus kulturwissenschaftlicher Forschung geraten (so daß man hoffen darf, daß dadurch vielleicht ein Beitrag zur Heterotopologie des Kinos geleistet wird):
(a) Im Rahmen des an der FU Berlin beheimateten Sonderforschungsbereichs Kulturen des Perfomativen wird am Lehrstuhl von Gertrud Koch das Projekt B 11 Der Akt der Aufführung im kinematografischen Raum durchgeführt.
Zusammenfassung des Projekts:
Film ist nicht abzulösen von den Praktiken seiner Aufführungen. Von seinen technischen, medialen Voraussetzungen her bedarf er der doppelten Apparatur; der zur Aufnahme und der zur Wiedergabe. Insbesondere die Qualität des Films als Bewegungsbild tritt wahrnehmbar erst in der Projektion, in seiner Aufführung in Erscheinung. Von dieser Aufführung wird die Rezeption mit bestimmt. Die Aufführung des Films hat zwei Orte: die Wand, auf die er projiziert wird, und den Zuschauer, in dem sich die Projektion zur Wahrnehmung von Bewegungsbildern formiert. [...] Dieser Aspekt der filmischen Aufführung im Auge des Betrachters gibt zwei zentrale Untersuchungsfelder vor: die Orte der Vorführung und den Zuschauer als Ort.
Aus einer solchen Topographie erschließt sich:
- das erste Untersuchungsfeld: Aufführungsorte:
das Kino und seine Architektur, sowie deren funktionale Anpassung an die historisch variablen apparativen Technologien (Breitwandformate erfordern eine bestimmte Anordnung des Zuschauers gegenüber der Leinwand, Stummfilme erforderten einen großen Orchestergraben etc.); das Kino als Teil der Straße, der Stadt, der Einkaufszentren etc.
- das zweite Untersuchungsfeld: der Körper des Zuschauers:
das Publikum in seiner Abhängigkeit von den Aufführungsbedingungen am Ort und als Teil der Aufführung. Hierbei sind vor allem die somatischen Wahrnehmungstheorien einzubeziehen.
Untersucht werden soll der Zusammenhang zwischen den Untersuchungsfeldern auf dem Hintergrund der These wechselseitiger Konstituierung von externen und mentalen Räumen in der kinematografischen Aufführung.
Dadurch soll die Frage geklärt werden, "wie sich architektonische und filmische Räume beeinflussen und wie sich die angenommene Raumdiffusion in andere symbolische Raumordnungen überträgt wie die von privat/öffentlich. Dazu bedarf es der Präzisierung von Übergängen. Diese liegen in der kinästhetischen Dimension, die Architektur und Film gemeinsam haben." (Mehr dazu hier.)
Gerade im Hinblick auf die Kinoarchitektur bin ich schon sehr gespannt auf die Ergebnisse.
(b) Unabhängig von diesem Forschungsprojekt ist das Verhältnis von Kinoraum und Außenwelt in jüngster Zeit Gegenstand von Aufsätzen gewesen:
Morsch, Thomas: "Die Macht der Bilder: Spektakularität und die Somatisierung des Blicks im Actionkino", in: Film und Kritik 4 (1999), 21-43.
Schober, Anna: "Close-ups in der Kinostadt", in: Mörtenböck, Peter/Mooshammer, Helge (Hrsg.): Visuelle Kultur: Körper - Räume - Medien, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2003, 231-253. [Meine Rezension dieses Bandes gibt's hier.]
(c) Wenn ich so unbescheiden sein darf: In der nächsten Ausgabe des film- und kulturwissenschaftlichen Online-Journals F.lm - Texte zum Film (Oktober 2004) erscheint mein Aufsatz "Opiumhöhle und ästhetisches Asyl. Zur Heterotopologie des Kinos im Anschluß an Foucault und Adorno", in dem ich mich darum bemühe, Foucaults Einschätzung, das Kino sei eine Heterotopie, durch Adornos Analyse des Kinos sozialphilosophisch plastisch zu machen.
... link (9 Kommentare) ... comment
... older stories