Mittwoch, 15. September 2004
Fundstück: Der "spatial turn" in der Geschichtswissenschaft
Ich habe gerade einen - wie ich finde: exzellenten - Text gelesen, der einen "spatial turn" in der Geschichtswissenschaft fordert (und auch schon in nuce vollzogen sieht):

Karl Schlögel: "Kartenlesen, Augenarbeit", in: Heinz Dieter Kittsteiner (Hrsg.): Was sind Kulturwissenschaften? 13 Antworten, München: Fink 2004, 261–283.

Der Historiker Schlögel, Professor für osteuropäische Geschichte an der Europa-Universität Viadrina (Frankfurt/Oder), illustriert einleitend am "Geschichtszeichen" Ground Zero, wie der Raum wieder in die Kulturwissenschaften - im Auge hat er da vor allem natürlich seine eigene Disziplin - zurückfindet:

Wir sind daran erinnert worden, daß es Örter gibt. [...] Örter: Städte, die getroffen werden können, Türme, die zum Einsturz gebracht werden können, Treppen, die in Rauch gehüllt, zu tödlichen Fallen werden, Konstruktionen und Fassaden, unter denen man lebendig begraben werden kann. (S. 262)

Ausgehend von diesem plastischen, aktuellen Beispiel formuliert er die Aufgabe, die räumliche Dimension in der Geschichtsschreibung wieder stärker in den Blick zu nehmen.

Der Text ist nicht nur stilistisch sehr gelungen, er ist auch hinsichtlich der Einordnung von Ort und Raum in kulturwissenschaftliche Fragestellungen sehr gewinnenbringend - und zwar nicht nur für Historiker. Ich empfehle einschlägig Interessierten die Lektüre.

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