Mittwoch, 15. Dezember 2004
Filmwissenschaft als Kinowissenschaft
"Ganz fragmentarisch versuche ich zu skizzieren, wie die Wirklichkeit der "Höhle" Kino unter Mithilfe von Wissenschaft und Philosophie sichtbar werden könnte – jenseits des Bildes, das so bestimmend im wissenschaftlichen und im herrschenden gesellschaftlichen Umgang mit ihr wirkte. Ich will unterscheiden zwischen der Höhle als Raum und ihrer menschlichen Füllung. Als drittes Element gehört zum Kino der Film, dessen Wirklichkeit eben auch eine andere ist als die der platonischen, bloßen, unwahren, unguten Erscheinungen. In solcher Annäherung ans Kino wird der Film bewußt als sein Moment reflektiert, statt wie üblich umgekehrt, das Kino als Anhängsel des Films. Das verändert grundlegend das Nachdenken über Film.

Zur modernen Wirklichkeit des Kinos gehört allerdings nicht nur seine verborgene Geschichte, sondern auch der manifeste Umgang mit ihm unter dem expliziten oder impliziten Bild der "Höhle" – der Umgang bürgerlicher Individuen, aber vor allem auch der herrschenden Gesellschaft. Auch in dieser Hinsicht ist das Kino etwas nichtidentisches, in dem Konformität zu ökonomischer Herrschaft und technischem Fortschritt sich mit Oppositionellem, Subversivem, Emanzipatorischem mischen. Aus diesem Nichtidentischen kamen die Impulse zur kritischen Filmwissenschaft, die im übrigen ihren Blick auf die Identifizierung von Herrschaftsstrukturen richtete. Hier aber geht es um die Geste der Subversion"


Heide Schlüpmann: Filmwissenschaft als Kinowissenschaft (nachdemfilm.de)

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